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Die Finanzverwaltung in Baden und Württemberg im Nationalsozialismus
Lange Zeit galt die Finanzverwaltung im Nationalsozialismus als Betätigungsfeld weitgehend unpolitischer Beamter, deren sachgerechtes Verwaltungshandeln ideologisch kaum kontaminiert war. Die Forschung hat diese Legende vom „sauberen“ Amt inzwischen klar zurückgewiesen. Vor diesem Hintergrund untersucht Dr. Christoph Raichle die Finanzverwaltungen in Baden und Württemberg. Ausgehend von der Verwaltungskultur, die bereits vor 1933 auf die fiskalischen Interessen des Reiches ausgerichtet war, werden die Handlungsspielräume der Beamten vor Ort ausgelotet. Dabei zeichnen sich anhand vieler konkreter Beispiele die systematische Ausplünderung der Juden durch Sondersteuern und die Verwertung ihrer Vermögen im Rahmen der Deportationen ab.
Die Leitfrage ist daher die Frage nach der konkreten Verwaltungspraxis der unteren und mittleren Finanzbehörden, also der Finanzämter und der Oberfinanzdirektionen, in der Zeit von 1933 bis 1945: wie verhielten sich die Beamten „vor Ort“, welche Spielräume hatten sie und wie wurden diese genutzt? Gab es Eigeninitiativen bei der „Überführung der ideologischen Vorgaben in einheitliche Verwaltungsprozesse“ (Christiane Kuller)? Gab es widerständiges Verhalten? Wie sah die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren der Judenverfolgung aus? Gab es spezifische Eigenentwicklungen in den Landesverwaltungen, die sich nicht zuletzt auch aus dem Einfluss regionaler Parteigewalten ergeben konnten?